Geht es dir auch so, dass du manchmal ein Lied spielen willst und findest keine schönen oder passenden Akkorde? Mir passierte das früher ständig. Heute ganz im Gegenteil. Songs, die ich vom Hören kenne oder von denen ich die Melodie habe, spiele ich meistens direkt einfach so. Auch, wenn ich sie nicht kenne. Die Leute sagen immer ich würde so schön begleiten. Hier will ich dir zeigen, wie du das auch tun kannst. Sei es auf ner Geburtstagsparty, mit ner Band, in der Messe als Organist oder zusammen mit einem Solisten (Sänger, Trompeter)? Man lernt es zwar nicht von heute auf morgen, aber es ist ein unheimlich befriedigendes Gefühl, wenn du einfach so was spielen oder schreiben kannst, was schön klingt, vielleicht auch für ein Blechquartett. Also lass uns mal langsam anfangen:
Im ersten Artikel möchte ich am Beispiel von Amazing Grace zeigen, wie du unterschiedliche Akkorde finden kannst und auf welche Arten du die am Klavier dann spielen kannst. Dabei arbeiten wir uns von Schwierigkeitsgrad 1 nach 7. Es wird also nach hinten raus interessanter. Ich gehe vielleicht etwas schneller über einige Sachen drüber, die wir uns später noch im Detail anschauen können. Das hier ist also eher ein Übersichtsartikel. Gehörbildung und Bach-Choral-Analyse heben wir uns für später auf.
Los geht’s, hier sind die Noten:
Die Melodie ist bekannt, man kann sie mal auf irgendeinem Instrument spielen oder singen. Zur Orientierung: Die ersten Töne heißen c und f.
Wie findet man jetzt Akkorde dazu?
Zuallererst: In welcher Tonart sind wir denn? Also ich sehe vorne zwischen dem Violinschlüssel und der Taktangabe 3/4 ein einziges b-Vorzeichen. Die Tonart hat also 1 b. Am Anfang kommt öfters mal der Ton f vor, nämlich 3 mal bis zum Ende des ersten Taktes. Dort wo der Ton f im Lied vorkommt, ist er oft am Anfang eines Taktes dran (nach dem senkrechten Strich), kommt also auf die schwere und wichtige Zählzeit „1“ und das Lied hört auch noch mit f auf. Das letzte f wird sogar für fast 2 ganze Takte ausgehalten. Kommt mir also ziemlich f-lastig vor. Vom Hören kann ich ahnen, dass das Stück nicht wirklich traurig klingt, sondern eher fröhlich, wie eine schöne getragene Hymne. Das riecht also danach, dass es eher in Dur steht als in Moll. Gut, dann gibt’s noch die beiden Merksprüche, mit denen man Tonarten anhand von Vorzeichen bestimmen kann, nämlich- für die Kreuztonarten „Geh Du Alter Esel Heute Fischen“
- G-Dur: 1 Kreuz (#, nämlich f wird zu fis)
- D-Dur: 2 Kreuz (##, fis haben wir schon und c wird zu cis)
- A-Dur: 3 Kreuz (###, g->gis kommt dazu)
- E-Dur: 4 Kreuz(####, d->dis kommt dazu)
- H-Dur: 5 Kreuz (#####, a->ais kommt dazu)
- Fis-Dur: 6 Kreuz (######, e->eis kommt dazu)
- für die b-Tonarten: „Frische Brötchen Essen Assistenten Des Gesundheitsamtes“
- F-Dur: 1 b (h wird zu b)
- B-Dur: 2 b (b haben wir schon und e wird zu es)
- Es-Dur: 3 b (a->as kommt dazu)
- As-Dur: 4 b (d->des kommt dazu)
- Des-Dur: 5 b (g->ges kommt dazu)
- Ges-Dur: 6 b (c->ces kommt dazu)
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Im E-Book lernst Du, wie Tonleitern und Akkorde gebildet und auf dem Klavier gegriffen werden und die Notenschrift.

Zu wenige Akkordwechsel für deinen Geschmack?
Verständlich, also lass uns andere einbauen. Wie du heutzutage im Radio hören kannst, kommt man mit 3 Akkorden schon ziemlich weit, also nehmen wir mal die drei wichtigsten Akkorde, mit denen man viele einfache Lieder schon auf einfache Art begleiten kann. Diese drei Kandidaten werden schon seit Jahrhunderten immer wieder verwendet und unsere Ohren sind ziemlich gut an sie gewöhnt.
Sie heißen auf Chinesisch: Tonika, Subdominante und Dominante.
Die Tonika entspricht dem 1. Ton der Tonleiter, in der das Lied steht.
Die Subdominante entspricht dem 4. Ton dieser Tonleiter.
Die Dominante entspricht dem 5. Ton dieser Tonleiter.
Merke: „eins, vier, fünf“. „1-4-5“, „1, 4, 5“, „1 / 4 / 5“, „I, IV, V“, „I-IV-V“, „zwei…mist!, nein, eins – vier – fünf“. Die drei scheidet völlig aus.
Wie geht die F-Dur Tonleiter? f – g – a – b – c – d – e – f
also sind unsere 1-4-5 Akkorde: F-Dur, B-Dur und C-Dur.
F-Dur ist Tonika (1), B-Dur ist Subdominante (4) und C-Dur Dominante (5).
Aus welchen Tönen bestehen diese Akkorde?
F-Dur = f – a – c
B-Dur = b – d – f
C-Dur = c – e – g
Sie werden gebildet aus dem 1., 3. und 5. Ton der jeweiligen Dur-Tonleiter, also der, F-Dur, der B-Dur und der C-Dur Tonleiter.
Hä? Falls Tonleitern und Akkorde spanische Dörfer sind, hier klicken:
E-Book: Tonleitern und Akkorde bilden
So weit so gut, aber welche Reihenfolge nehmen wir?
Routenplaner:
Angenommen du bist ein Mann (Tonika) und wohnst in Frankfurt (F). Deine Frau (Dominante) ist beruflich in Castrop-Rauxel (C) und du hast eine Affäre (Subdominante) in Basel (B).
Frage: Welche Möglichkeiten hast du, deinen Tag zu verbringen?
Antwort:
- Du bist faul und bleibst zuhause in Frankfurt (F). Das wäre dann in etwa die Bordunbegleitung gewesen.
- Du fährst zu deiner Frau und wieder heim (Frankfurt -> Castrop-Rauxel -> Frankfurt, F->C->F, 1-5-1, I-V-I).
- Du fährst zu deiner Affäre und wieder heim (Frankfurt -> Basel -> Frankfurt, F->B->F, 1-4-1, I-IV-I).
- Oder du machst einen kleinen Trip, fährst zuerst nach Basel, dann über Castrop-Rauxel wieder heim nach Frankfurt
(F->B->C->F, 1-4-5-1, I-IV-V-I)
Du siehst, meistens kommt man wieder da an wo man losgefahren ist. Die Reise hat also eine gewisse Struktur. Es gibt Start und Ziel und verschiedene Wege, das Ziel zu erreichen. Verfährt man sich unterwegs, kommt man vielleicht in Geseke (NW) raus und merkt, dass man mit Ges-Dur nicht mehr im Tonraum von F-Dur befindet.
So wie man eine Reise plant, empfiehlt es sich auch, die Akkordverbindungen in einem Lied zu planen, damit man nicht planlos durch die Tonarten irrt, sondern dem Zuhörer die musikalische Reise auch verständlich und schmackhaft machen kann.
Versuchen wir also mal Verbindungen zu nutzen, die in etwa so gehen:
- 1-5-1
- 1-4-1
- 1-4-5-1
Weil die Tonika die wichtigste Stufe im Lied ist, kann die auch zwei mal hintereinander vorkommen, also 1-1-5-1 oder so.
Gut, und wann kommen die Akkorde, also auf welche Noten?
Prinzip: „einfach ist gut“
Es gibt Zählzeiten im Takt, die fühlen sich schwer an, gewichtig. Das sind z.B. die Einsen, also Zählzeit „1“, also die 1. Note im Takt.
Dann gibt’s noch leichte, unbetonte Zählzeiten, wie z.B. „2“. Wenn du einen Walzer mit „uff-da-da“ oder „hum-ba-ba“ singst, merkst du schnell, wo die schwere 1 ist und wo die leichte 2 und die leichte 3 ist.
Wir machen die Akkorde mal auf die schweren Zählzeiten, also auf die jeweils erste Note in jedem Takt.
Schau dir nochmal die Melodie in den Noten an, und gucke auf die jeweils ersten Noten in jedem Takt.
Das sind: f, a, f, c, f, a, c, c, a, f, c, f, a, f.
Hui, welch interessante Struktur, lauter Töne aus dem F-Dur Akkord (remember? f-a-c) und das Lied steht in F-Dur. Sagenhaft!! Da wird sich doch nicht einer was dabei gedacht haben?!…
Wenn wir jetzt auf diese Töne unsere 3 Akkorde verteilen, dann gibt’s zwei Möglichkeiten: entweder es klingt gut, oder es klingt schade. Das hängt maßgeblich davon ab, ob der Melodieton, der gerade gespielt wird, auch in unserem Akkord vorkommt.
Beispiel: Melodie: a, Akkord F -> gut, weil a im F-Dur Akkord vorkommt (f-a-c)
Beispiel: Melodie: a, Akkord B -> urrgh, weil a nicht im B-Dur Akkord vorkommt (b-d-f)
(für alle Fans des Major 7: schon klar, ich mag’s auch, aber erst mal die Basics, wir haben noch knapp 3 Jahrhunderte vor uns…., obwohl… Bach verwendet ihn auch schon in „Bereite dich Zion“…naja…egal für jetzt)
Also können wir zu jedem Takt gehen, und schauen, ob wir eine der Reiserouten hinbekommen, während der Melodieton auch noch Teil des Akkordes ist, den wir nehmen wollen….
Dazu ein kleines How-to Video:

Schluss mit grauer Theorie! Wie spielt man jetzt diese Akkorde?
Da gibt’s viele verschiedene Möglichkeiten, die unterschiedlich gut für unterschiedliche Zwecke geeignet sind. Legen wir los:
Variante 2: Rechts Melodie, Akkord in der linken Hand nach Grifftabelle
Diese Methode wird oft im Keyboardunterricht gelehrt. Sie ist aus zwei Gründen leicht zu lernen:
- Die Aufgaben der Hände sind klar getrennt: rechte Hand Melodie, linke Hand Akkord
- Die Akkorde werden in der linken Hand oft so gegriffen, wie in Theoriebüchern oder Grifftabellen dargestellt. Der erlernte Griff für diesen Akkord ist dan fest und wird immer genau so gespielt. Später kann man die Griffe variieren, wenn man flexibler geworden ist.
Wenn du in einer Band oder einem Jazz Trio zusammen mit einem Bass Spieler Klavier spielst, eignet sich diese Methode. Hier ist ein kurzes Video, in dem ich Amazing Grace nach den oben in den Noten stehenden Akkorden so spiele.
- Feste Griffmuster, die nie verändert werden, schränken die Flexibilität und die Abwechslung für den Zuhörer ein
- Wird kein Bass verwendet, sind die tiefsten Töne durch den tiefsten Ton im Akkord der linken Hand vorgegeben, was dazu führt, dass oft ein tiefster Ton erklingt, der kein sinnvoller Basston für die jeweilige Stelle im Lied ist.
- Beispiel: C Dur Griff mit 2. Umkehrung (Quart-Sext-Akkord, von unten nach oben g-c-e) hat die Quinte g im Bass. Damit lässt sich keine Schlusswirkung für C Dur erzeugen, es würde C in den Bass gehören.
- Bewegt sich die Melodie der rechten Hand nach unten in den Akkord hinein, z.B. ein Lied in C Dur endet auf dem unteren c (eingestrichenes c, c‘), klingt ein höherer Ton (e‘) aus dem Akkord der linken Hand und die Melodie wird verfremdet. Der Hörer erhält den Eindruck, e‘ wäre der Schlusston der Melodie statt c‘.
- Da alle Töne des Akkords in einer Hand gegriffen werden, wird die sogenannte enge Lage verwendet. D.h. die Frequenzen der Töne im Akkord liegen immer eng beieinander, die Frequenzen der Melodie dagegen können sich in der rechten Hand durchaus weit vom Akkord entfernen. So entsteht eine spektral inhomogene Frequenzverteilung (sorry…echt…, hab grad noch Physik gemacht…). Das kann manchmal zu einem unausgewogenen Klang führen. Dies kann gewollt sein, ist es oft aber nicht. Würde der Akkord auf zwei Hände verteilt werden, könnte man ihn in der sog. weiten Lage greifen. Dadurch könnte man die Töne über das gesamte Frequenzspektrum, das durch Melodieton und Basston aufgespannt wird, gleichmäßig verteilen. Dies führt zu einem ausgewogeneren Klangbild. In einem Orchester wird der Klang auch verteilt, deshalb benötigt man die vielen Instrumente verschiedener Tonlagen, statt dass nur die 1. Violine oder Piccoloflöte die Melodie, die Tuba oder der Kontrabass den Bass und alle sonstigen Streicher und Bläser sich in der Mitte in einem Intervall von einer Sexte klumpenartig auf einem Haufen tummeln. Ein anderes Beispiel wäre eine Fußballmannschaft, bei der es nur den Torhüter und den Stürmer in der Spitze gibt, und die 9 anderen Spieler stünden eng zusammen am Mittelkreis. Soll auch schon vorgekommen sein…
- Durch das Spielen nach festen Griffen kann nicht so gespielt werden, wie der Tonsatz es beispielsweise bei einem vierstimmigen Choral vorgibt. Daher fallen viele Gestaltungsmöglichkeiten weg. Insbesondere die Möglichkeit, durch gezielte Auswahl der einzelnen Töne im Akkord den Zuhörer zu leiten, so dass er z.B. beim Mitsingen erraten kann, welcher Akkord als nächstes kommt.
Variante 6: Improvisierte Mischformen aus bekannten Begleitpatterns
Hier ein Beispiel mit einer Begleitung, die ein Muster gebrochener Akkorde mit jeweils zwei gespielten Tönen verwendet. Vielleicht kommt dem einen oder anderen dieses Muster bekannt vor…
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